Mit Kindern eigene Spiele programmieren

Die beste Methode, sich mit einem Medium kreativ und kritisch auseinanderzusetzen, ist die eigene Produktion von Medieninhalten. Dies gilt auch für das Medium der digitalen Spiele. Dass diese Spiele nicht passiv konsumiert werden, sondern die Phantasie anregen, zeigt ein Blick auf das umfangreiche Schaffen von Fan-Fiction-Autor_innen, die unzähligen, von Millionen gesehenen Let‘s Plays auf Youtube und die auch hierzulande bereits im Mainstream angekommenen Cosplay-Conventions, wo nicht nur jugendliche Spieler_innen sich in aufwändig selbst gebastelten Kostümen ihrer Lieblings-Spielfiguren präsentieren.

Heute ist es bereits Kindern möglich, erste Erfahrungen mit der Spiele-Entwicklung zu machen. Mit der visuellen Programmieroberfläche Scratch können schon Kinder im Volksschulalter einfache Spiele und Trickfilme programmieren. Eine gute Einführung zu Scratch bietet die ebenfalls kostenlose Seite Code Studio, wo mit zahlreichen Spielen die Grundlagen des Programmieren vermittelt werden. Bereits für Kinder im Vorschulalter gibt es die Tablet-Anwendung Scratch Jr, die keine Lesekenntnisse verlangt und in der Funktionalität sehr eingeschränkt ist.

Scratch ist eine kostenlose Browser-Anwendung, eigene Projekte werden nach Erstellung eines Kontos online gespeichert. Aus zahlreichen verschiedenfarbigen Bausteinen werden die Programme zusammengesetzt, damit können einfache Spiele in wenigen Minuten erstellt werden, und mit etwas Aufwand sind auch komplexe Projekte möglich. Die veröffentlichten Werke aller Scratch-Nutzer_innen sind frei zugänglich und können als Basis für eigene Spiele dienen. So können Kinder spielerisch Grundkonzepte der Informatik kennenlernen, wie Befehle, Variablen, Bedingungen, Schleifen oder Boole‘sche Operatoren. Die kreativen Möglichkeiten sind vielfältig, Scratch kann mit Eingabegeräten wie dem MakeyMakey verbunden und zur Steuerung von Robotern eingesetzt werden. Eine Weiterentwicklung von Scratch, geeignet als vollwertige Einführung in die Informatik, ist Snap!, ebenfalls eine Browser-Anwendung; anders als bei Scratch können die erstellten Programme heruntergeladen werden. Mit Scratch und Snap! lässt sich Programmieren selbst als ein Spiel begreifen, ein selbstgestelltes Rätsel, das es mit den vorgegebenen Möglichkeiten zu lösen gilt.

Während Scratch sich eher für Spiele eignet, in denen die Story gegenüber dem bunten Gameplay in den Hintergrund tritt, ist es bei Twine umgekehrt. Diese quelloffene Software dient der Entwicklung nichtlinearer, interaktiver Geschichten, die den Leser_innen durch Verlinkungen verschiedene Navigationsmöglichkeiten durch den Text bieten. Beispiele dafür sind die in den 1970er Jahren populären Textadventures wie „ZORK“ oder „Adventure“, in denen man zwischen verschiedenen Wegen wählen konnte und etwa nach Eintippen von „go north“ oder „enter house“ eine Beschreibung der Umgebung und weiterer Handlungsmöglichkeiten erhielt. Heute gibt es eine aktive Szene im Bereich der Interactive Fiction, da die Herstellung und Veröffentlichung der Texte/Spiele mittlerweile kostenlos und ohne Programmierkenntnisse möglich ist. Auch die Spiele selbst sind meist kostenlos. Die Autor_innen greifen oft ernste Themen auf, um die kommerzielle Spielehersteller_innen einen großen Bogen machen, etwa in Depression Quest, das mit Twine programmiert wurde. Die Oberfläche von Twine ist übersichtlich, Verlinkungen zwischen Textblöcken einfach zu erstellen. Es können aber auch Variablen verwendet und Berechnungen im Hintergrund ausgeführt werden; wer sich also eine Weile einarbeitet und bereit ist, auf animierte Grafiken zu verzichten, kann mit Twine komplexe Abenteuer- und Rollenspiele erstellen. Fertige Texte/Spiele werden als HTML-Dateien gespeichert und können auf verschiedene Plattformen hochgeladen werden.

Viele Anregungen finden sich auch im kostenlosen Handbuch Making-Aktivitäten mit Kindern und Jugendlichen. Handbuch zum kreativen digitalen Gestalten.

 

Dieser Artikel ist dem eBook: leben.lernen.spielen – Familien in der digitalen Welt entnommen.

PS: Am 27. Juli 2017 fand ein Webinar zum Thema „Was ist ein Maker Space? Das Beispiel des Do!Lab“ statt.


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Christoph Kaindel

Christoph Kaindel ist studierter Historiker und seit 15 Jahren als Medienpädagoge tätig, unter anderem als pädagogischer Leiter des Vereins Wiener Bildungsserver und Lehrbeauftragter an der Pädagogischen Hochschule Wien.